Für viele ist das Buch „This is Service Design Thinking“ die „schwarze Bibel“ des Service Design. Kein Buch, das man von vorne nach hinten durchliest, aber eins, das man immer wieder gerne zur Hand nimmt und etwas darin nachliest. Lange war der Nachfolger „This is Service Design Doing“ angekündigt. Nun halte ich das neue Buch endlich in den Händen. Wie im ersten Buch findet man auch darin zahlreiche Methoden und Case Studies. Mit einem klaren Fokus auf dem „Doing“ gehen die Autoren stärker auf den Service Design Prozess ein und geben zusätzlich wertvolle Tipps zur Moderation von Service Design Workshops und zur Gestaltung von Kreativräumen
Ich hatte das große Glück, von Autor Marc Stickdorn als Lehrbeauftragter im Fach „Service Design Process and Methods“ in meinem MBA Programm in Finnland zu lernen. Meine Erwartungen an diesen Kurs waren hoch und wurden sogar noch übertroffen. Viel spannender als die Methoden selbst, waren die vielen Tipps zur Moderation von Service Design Workshops, die Marc aus eigener Erfahrung weitergegeben hat. Viele dieser Tipps finde ich in dem Buch wieder.
Von Service Design Thinking zu Service Design Doing
Das Buch trägt den Untertitel „Applying Service Design and Design Thinking in the Real World. A Practicioner’s Handbook.“ Während es im ersten Buch darum ging, den Stand der noch recht neuen Methode Service Design zu fassen, soll das zweite Buch 8 Jahre später ein praktisches Handbuch sein, wie Service Design in Organisationen gelebt werden kann.
Als Service Designer übernimmt man meist die Rolle des Moderators und Coaches. Die Auftraggeber bringen ihr inhaltliches Wissen und ihre Branchenerfahrung ein, Service Designer die Methoden und Struktur. Der erste Schritt eines Service Design Prozesses ist es immer, den Prozess selbst zu gestalten. Daher wird der Planung und der Steuerung von Service Design Prozessen viel Platz in dem Buch eingeräumt. Zur Orientierung liefern die Autoren Vorlagen für die Struktur unterschiedlich langer Service Design Prozesse von einem einführenden Service Design Workshop von wenigen Stunden, bis zu einem strategischen Service Design Projekt von drei Monaten.
Stärker als bisher verknüpfen die Autoren Service Design mit verwandten Disziplinen, wie z.B. dem Jobs-to-be-Done Framework. Mehrmals wird thematisiert, dass Service Design nach der service-dominierten Logik auch für physische Produkte relevant ist. Für das Digital Service Design findet man immer wieder Parallelen zu agilen Projektmanagement Methoden, wie Scrum. In der Projektsteuerung werden beispielsweise tägliche Stand-up Meetings, Reviews und Retrospektiven empfohlen. Das macht Sinn, denn iterativ erarbeitete Services lassen sich am besten mit iterativen agilen Methoden umsetzen. Zum einen sollen die Ergebnisse aus Service Design Methoden für Software Projekte anschlussfähig sein, indem beispielsweise User Stories aus den Erkenntnissen des User Research formuliert werden. Inspiriert von Scrum wurde der Prozess, z.B. mit einem Content Review, speziell für Service Design Prozesse angepasst.
Das Problem der Definition von Design Thinking
Im ersten Buch wurden noch verschiedene Definitionen von Service Design aufgeführt und der Titel als Kombination aus Service Design und Design Thinking damit erklärt, dass die Denkweise die Gleiche ist. Die Definition bleibt vage. Statt einer zentralen Definition, werden auch dieses Mal unterschiedliche Begriffserklärungen von Service Designern aufgeführt. Je nach Sichtweise wird Service Design als Mindset, Prozess, Toolset, disziplinübergreifende Sprache oder als Managementansatz beschrieben. Das erinnert stark an die ähnliche Definition von Design Thinking aus der Studie „Parts without a whole.“
Auch inhaltlich hat sich das Buch in den letzten 8 Jahren weiterentwickelt. So wurden beispielsweise die 5 Prinzipien des Service Design aus dem ersten Buch präzisiert und erweitert. Das Prinzip „Co-creative“ führte etwa häufig zu Verwirrung, da es streng genommen einen Unterschied zwischen der gemeinsamen Serviceentwicklung („co-design“) und der gemeinsamen Wertschöpfung („co-creation“) gibt. Das neue Prinzip „kollaborativ“ umfasst beides. Als neues sechstes Prinzip kommt „iterativ“ hinzu. Laut der 6 neuen Prinzipien ist Service Design also menschenzentriert, kollaborativ, iterativ, sequenziell, real und ganzheitlich.
Auf dem Cover des neues Buches sind u.a. mit Design Thinking, UX Design und Business Design weitere Bezeichnungen gelistet, die zeigen, dass auch 2018 noch unterschiedliche Begriffe für ähnliche Ansätze im Umlauf sind. Die Autoren plädieren dafür, es zu nennen, wie man will. Hauptsache man tut es.
Service Design Methoden als kostenfreie Online-Begleitpublikation
Da das Buch immer umfangreicher wurde, haben die Autoren den Teil mit den Methoden teilweise herausgenommen. Das Buch enthält eine kurze Zusammenfassung der Methoden. In dem Online Companion ist jede Methode ausführlicher auf ein bis zwei Seiten mit Bildern und Schritt-für-Schritt Anleitungen beschrieben. Hilfreich finde ich vor allem die tabellarische Zusammenfassung der wichtigsten Eckdaten zu jeder Methode.
Das Gute daran: Das PDF-Dokument mit 180 Seiten voller Methoden zu Recherche, Ideation, Prototyping und Workshop-Moderation könnt ihr kostenfrei auf tisdd.com herunterladen.
Gelebte Co-Creation bei der Entstehung des Buchs
Für das zweite Buch haben sich Marc Stickdorn und Jakob Schneider mit Markus Hormes und Adam Lawrence zwei weitere Autoren mit ins Boot geholt. Die Geschäftsführer von WorkPlayExperience, einer Innovationsberatung bei Nürnberg, haben mit den Global Service Jams eines der wichtigsten Service Design Formate ins Leben gerufen. Eine weltweite Community organisiert jedes Jahr ehrenamtlich drei Veranstaltungsformate, die zum gleichen Termin in unterschiedlichen Städten stattfinden: Der allgemeine Global Service Jam im März, den ich auch schon in Freiburg organisiert habe, der Global GovJam für die Verwaltung im Mai und der Global Sustainability Jam zum Thema Nachhaltigkeit im November. Mit dem JamJam wurde zudem ein Format geschaffen, bei dem die Jam Organisatoren untereinander Erfahrungen austauschen und voneinander lernen.
Das Service Design Prinzip des Co-Creation wurde mit diesem Buch konsequent umgesetzt. Wie im ersten Buch kommen auch darin wieder zahlreiche Experten zu Wort. Neben den 4 Hauptautoren, haben 96 Co-Autoren mitgewirkt und 205 Mitwirkende das Buch vorab gelesen und kommentiert. Auch ich habe ein kleines Stück dazu beigetragen. Wer findet meinen Namen im Vorwort des Buchs?
Klare Kaufempfehlung
Auch wenn mein Urteil als Mitwirkende, die alle vier Autoren persönlich kennt, nicht ganz objektiv ist, empfehle ich „This is Service Design Doing“ als ein mehr als würdiger Nachfolger von „This is Service Design Thinking.“ Das Buch enthält die geballte Ladung Wissen der weltweiten Service Design Community. Das Buch ist gut illustriert und bebildert. Markierungen und Zusammenfassungen der wichtigsten Punkte fassen zentrale Aussagen übersichtlich zusammen.
Haptisch ist es leider nicht so hochwertig wie das erste Buch. Als gebundenes Buch ist „This is Service Design Thinking“ wesentlich unempfindlicher. „This is Service Design Doing“ hat dagegen schon beim Versand gelitten. Diesem Buch wird man die Nutzung sicherlich bald deutlich ansehen. Und leider ist das Buch, wie schon das erste, bisher nur in englischer Sprache erhältlich.
Wer das erste Buch noch nicht im Regal stehen hat, kann problemlos mit dem zweiten Buch einsteigen. Unabhängig von dem Buch, empfehle ich allen den Download des Online Companion als Methodenreferenz.
Sprechen Sie mich an, wenn Sie das Buch interessant finden und Unterstützung bei der Umsetzung benötigen. Als erfahrene Service Designerin kann ich Ihnen helfen, Service Design Workshops und Projekte zu planen und zu begleiten.