Katrin Mathis

Digitale Konzepte
mit mehr Wert.

Inspiriert von Musik-Jamsessions wurde der Global Service Jam 2011 in über 50 Städten ins Leben gerufen, initiiert von Markus Edgar Hormeß und Adam StJohn Lawrence von WorkPlayExperience in Nürnberg.

„Im Geiste des Experimentierens, der Innovation, der Zusammenarbeit und des freundschaftlichen Wettbewerbs haben die Teams weniger als 48 Stunden Zeit, um völlig neue, von einem gemeinsamen Motto inspirierte Services zu entwickeln und zu prototypisieren. Am Ende des Wochenendes wird ihre Sammlung brandneuer Dienstleistungen der Weltöffentlichkeit präsentiert.“

Service Design Jam Freiburg

Mit fast 3000 Teilnehmenden in mehr als 120 Städten im Jahr 2013 ist der Global Service Jam die größte Service Design Veranstaltung weltweit. Vom 1. März bis zum 3. März wurden 84.000 Personenstunden in mehr als 500 Projekte investiert. Letztes Jahr fanden die nächstgelegenen Jams in Genf, Luxemburg oder Nürnberg statt, jeweils rund vier Stunden entfernt, so dass ich beschloss, dieses Jahr zum ersten Mal einen Service Design Jam in Freiburg zu veranstalten.

Als sie von meinen Plänen Event erfuhren, bot die Hochschule für Kunst, Design und Populäre Musik Freiburg (hKDM) an, ihre Räume für den Jam zur Verfügung zu stellen. MyMüsli sponserte einen Teil ihres Bio-Müsli2Go und Green Cup Coffee etwas von ihren Gourmet-Kaffeebohnen. Schwarzwaldmilch steuerte Milch, Joghurt und Schoki zum Jam-Frühstück bei und Stefans Käsekuchen versüßte den Nachmittag mit dem besten Käsekuchen der Welt. Nach dem Artikel in der Badischen Zeitung bot die AYO GmbH grenzüberschreitende Dienstleistungsfirma ihre Unterstützung an und übernahm die Kosten für die Getränke. Vielen Dank an alle Sponsoren für diese tolle Unterstützung!

Globales Motto grow^

Direkt im Anschluss an einen Design Thinking Hands-on-Workshop, begannen wir den Service Design Jam mit dem Eröffnungsvideo, das in Helsinki und Rückersbach gedreht wurde, mithilfe von anderen Jams auf der ganzen Welt. Als gut gehütetes Geheimnis, bis die Sonne hinter dem Santa Monica Boulevard untergeht (in der Zeitzone, in der die Jammer als letztes anfangen), wurde in dem Video auch das Motto des diesjährigen Jams enthüllt: grow^.

Bei regionalem Essen diskutierten wir unsere Assoziationen mit dem Begriff grow, aber auch mit Stagnation und Schrumpfung. Wir einigten uns schnell auf „Sharing is the new owning“ als unser Freiburger Unterthema, passend zur Shareconomy als Thema der diesjährigen Computermesse CeBIT, die derzeit in Hannover stattfindet. Ein Teil der Gruppe war daran interessiert, sich intensiver mit Bildung und persönlichem Wachstum zu beschäftigen. Ein anderer Teil eher an der Frage einer reifen Wirtschaft, die nicht weiter wächst. So teilten wir die Teilnehmenden in zwei Gruppen auf und machten ein Brainstorming zu je einem konkreten Problem, das wir in den nächsten 48 Stunden bearbeiten würden.

Mich persönlich begeisterte das Thema, weil es so viel Raum für Interpretationen ließ, vom Anbau von Lebensmitteln über wachsende Beziehungen bis hin zum Erwachsenwerden und Altern. Das ^ führte zu verschiedenen Interpretationen auf der ganzen Welt, wie „grow up“, „grow happy“ oder „grow to the power of“.

Brainstorming zu dem Motto grow^ beim Service Design Jam Freiburg

Team „Klamotte“ – Stärkung der lokalen Wirtschaft & unabhängige Kleiderläden

Die Gruppe, die sich mit dem Thema einer reifen Wirtschaft beschäftigte, begann den Samstagmorgen mit einer Diskussion darüber, ob und unter welchen Umständen ein Unternehmen beschließen kann, nicht weiter zu wachsen. Schnell einigte man sich auf lokale Unternehmen und insbesondere auf unabhängige Bekleidungsgeschäfte als Zielgruppe. Am frühen Nachmittag sprachen sie mit Geschäftsinhaber:innen vor Ort und Ladenbesucher:innen, um deren Bedürfnisse und Probleme kennenzulernen.

Aus den Gesprächen ging hervor, dass E-Commerce zu einer echten Bedrohung für Ladenbesitzer:innen geworden ist, da viele Kund:innen Kleidung offline anprobieren und dann aufgrund der günstigeren Preise und einer größeren Auswahl online kaufen. Daraus entstand die Idee, den Bekleidungsgeschäften eine Reihe von Dienstleistungen anzubieten, um den Kauf von Kleidung zu einem Erlebnis zu machen, das man online nicht bekommen kann. Die Erkenntnisse und Ideen wurden in einer Value Proposition Canvas und einer Business Model Canvas zusammengefasst.

Business Model Canvas beim Service Design Jam Freiburg

Am Sonntag erstellte die Gruppe eine große Customer Journey mit Wireframes ihrer digitalen Berührungspunkte, die sie auch für die Produktion eines kurzen Videos zur Erläuterung ihres Angebots nutzten.

Customer Journey Map beim Service Design Jam Freiburg

Team Toys Stories – Spielzeuge auf eine unendliche Reise schicken

Die zweite Gruppe dachte lange über einen Service nach, der Kindern beibringen sollte, mehr zu teilen und der Eltern von der Last befreien sollte, andauernd die neuesten Spielzeuge kaufen zu müssen. Am Samstag verließ die Gruppe das Gebäude, um ihre Idee eines „Netflix für Spielsachen“ zu testen, bei dem Kinder ein Taschengeld erhalten, mit dem sie Spielzeug für eine bestimmte Zeit mieten können, anstatt es zu kaufen und schnell das Interesse daran zu verlieren.

Value Proposition Canvas beim Service Design Jam Freiburg

Bei Gesprächen mit Menschen verschiedener Altersgruppen auf einem Spielplatz und in der Nähe eines Spielzeugladens fand die Gruppe jedoch heraus, dass viele der Befragten mit den bestehenden Möglichkeiten, wie dem Kauf und Verkauf von Spielsachen auf Ebay oder Flohmärkten zufrieden waren und kein Spielzeug mieten wollten, das deutliche Abnutzungserscheinungen aufweist.

Anfangs war das ein Rückschlag für die Gruppe, der sie ihre Idee überdenken ließ. Aber dann überlegte sie, wie sie negatives Feedback in neue Möglichkeiten umwandeln könnte. Es entstand die Idee, dass Kinder ein Bild, einen Brief oder eine Spielidee mitsenden könnten, wodurch das Spielzeug nicht mehr als benutzt angesehen würde, sondern durch jede:n Besitzer:in mehr Persönlichkeit bekäme. Kinder könnten nicht nur neue Spielsachen bekommen, sondern auch etwas über das Leben anderer Kinder erfahren und vielleicht sogar Freundschaften mit den vorherigen Besitzer:innen schließen. Mit der Zeit würden die Spielzeuge eher an Wert gewinnen, als an Wert verlieren, weil ihre Reisen Geschichten erzählen, die sie zu etwas Besonderem machen und die man nicht mit Geld kaufen kann.

Skizzieren eines erstengroben Storyboards beim Service Design Jam Freiburg

Am Sonntag half ich dem Team, ein kurzes Video zu produzieren, in dem die Idee ihrer Dienstleistung vorgestellt wurde. Unter Anwendung der Pecha-Kucha-Methode entwickelten wir eine Geschichte über eine Puppe, die wir in Skizzen visualisierten und mit einem iPhone in einem einzigen Take filmten. Das Video bekamen wir buchstäblich in der letzten Minute fertig.

Manöverkritik

Meine Motivation für die Organisation des Jams war es, dieses spannende Format im Raum Freiburg verfügbar zu machen, die noch relativ unbekannte Disziplin des Service Designs zu fördern und Gleichgesinnte zusammenzubringen, damit sie voneinander lernen können. Um dies zu verwirklichen, investierte ich über mehrere Monate hinweg viel Zeit, Geld und Energie.

Anfangs rechnete ich mit einer Gruppe von ungefähr 5 bis 10 Teilnehmenden. Als die ersten 10 Tickets ausverkauft waren und die Warteliste immer länger wurde, sah ich mich nach einem größeren Raum um und nach Sponsoren, die zur Deckung der Kosten beitragen würden, um mehr Teilnehmende aufnehmen zu können. Mir war bewusst, dass es bei dieser Art von Veranstaltung immer eine gewisse No-Show Rate gibt, und es gibt viele gute Gründe für eine Absage, die ich durchaus nachvollziehen kann (und eine Person kam am Freitag zum falschen Ort – sorry!), aber dass fast 50% der angemeldeten Teilnehmenden in der letzten Woche vor der Veranstaltung absagten oder einfach nicht erschienen, war wirklich demotivierend und macht eine Planung fast unmöglich. In Zukunft würde ich ein solches Event nicht mehr kostenlos anbieten, sondern eine kleine Gebühr für das Wochenende verlangen. Dies würde weniger dazu dienen, meine Kosten zu senken, sondern sicherstellen, dass sich nur diejenigen anmelden, die wirklich interessiert sind. Es war zwar ziemlich einfach, in kleinem Umfang Sachspenden von Sponsoren zu bekommen, aber ich würde mir mehr Unterstützung von Initiativen und lokalen Unternehmen wünschen.

Ich stellte fest, dass ich bei Teilnehmer:innen, die im Service Design eher unerfahren waren, mehr eingreifen musste als erwartet und es wurde trotzdem mehr geredet als getan. Im Laufe des Wochenendes versuchte ich, klarere Erwartungen in Bezug auf die nächsten Schritte zu setzen und mehr Beispiele zur Inspiration zu zeigen. Für zukünftige Veranstaltungen, aber auch für Kundenworkshops habe ich gelernt, für noch mehr Struktur zu sorgen, fixe Zeitfenster festzulegen und idealerweise für jede Gruppe eine:n Moderator:in zu haben.

Das globale Basecamp für Organisatoren ist eine großartige Community, aber je näher das Wochenende rückte, desto mehr wurde mein Posteingang überflutet und die Diskussionen wurden immer schwieriger zu verfolgen, da es dieses Jahr so viele Jam-Orte gab. Die Server des Global Service Jam hielten dem Ansturm der europäischen Jams, die ihre Projekte und Teams auf einmal anmeldeten, nicht stand, was es am Samstag zu einem etwas frustrierenden Erlebnis machte.

Vor der Veranstaltung hatte ich darüber nachgedacht, zu bestimmten Zeitpunkten während des Wochenendes via Skype mit anderen Jams zu sprechen, aber da ich allein für die Organisation verantwortlich war, beschloss ich, mich im ersten Jahr auf die Grundlagen zu konzentrieren. Nächstes Mal würde ich definitiv gern Partnerschaften mit anderen Städten eingehen, um mehr von dem globalen Buzz der Veranstaltung mitzubekommen.

Alles in allem war das Wochenende anstrengend, aber eine tolle Erfahrung. Es war schön, einige Leute wiederzusehen, die ich letztes Jahr bei verschiedenen Anlässen wie dem Saarcamp oder dem Startup Weekend Basel kennengelernt habe, und zu sehen, wie Menschen neue Kontakte knüpfen.

Die Konzepte, die während des Wochenendes entwickelt wurden, sind sicherlich nicht ausgereift, aber sie haben Potenzial und ich finde es immer wieder erstaunlich, was in so kurzer Zeit erreicht werden kann. Nicht nur durch einen Artikel in der Badischen Zeitung über das Event hat Service Design ein wenig mehr Aufmerksamkeit bekommen. Ich würde mir wünschen, dass Freiburg ein regelmäßiger Standort für den Global Service Jam wird, und möchte gerne andere Veranstaltungsformate (vielleicht ein Barcamp oder eines Tages ein Startup Weekend) in der Region organisieren und würde mich freuen, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die diese Idee unterstützen und bereit wären, zu helfen.

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